1. November 2020 – Bürgerentscheid Citybahn

12.10.2020

Bürgerentscheid am 1.11: NEIN zur Citybahn

Am 1. November dürfen Sie über das Citybahn-Projekt abstimmen. Die Freien Demokraten haben sich seit vielen Jahren für einen Bürgerent- scheid eingesetzt. Heute bitte ich Sie: Stimmen Sie am 1. November mit Nein und beenden Sie dieses Projekt.
Unsere wichtigsten Argumente haben wir hier zusammengefasst.

Dabei stehen wir vor einer besonderen Herausforderung: Damit der Bürgerentscheid gültig ist, muss ein Teilnahmequorum erreicht werden. Um die Citybahn zu verhindern, brauchen wir deswegen mindestens 30.000 Nein-Stimmen. Wenn diese Stimmenanzahl nicht erreicht wird, wird das Stadtparlament final über das Projekt entscheiden. Die Citybahnbefürworter haben eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung und werden diese auch nutzen, um die Citybahn zu bauen, wenn wir das Quorum nicht erreichen.

Wir bitten Sie daher: Beantragen Sie noch heute die Briefwahl oder gehen Sie am 1. November wählen. Sagen Sie Nein zur Citybahn und Nein zur Wiesbadener Verkehrspolitik, die nur zu mehr Staus und mehr Schulden führt.

Die Briefwahl können Sie in nur zwei Minuten auf den Seiten der Landeshauptstadt Wiesbaden anfordern: https://he.buergerserviceportal.de/hessen/wiesbaden/bsp_ewo_briefwahl

Nächster Halt: Schuldenberg

426 Millionen Euro soll die erste Linie der Citybahn kosten. Das besagt die letzte Kostenschätzung. Die Erfahrungen anderer Bauprojekte zeigen, dass es kaum bei dieser Schätzung bleiben wird, sondern die Kosten weiter ansteigen werden, zumal die Linienführung noch nicht endgültig feststeht und weder Baunebenkosten noch Risikopuffer berücksichtigt wurden. Zwar wird das Projekt voraussichtlich von Land und Bund unterstützt, die Mittel decken allerdings nur einen Teil der Kosten. Andere Kostenpunkte wie die Fahrzeuge oder ein möglicher Betriebshof, erhalten keine oder nur geringe Fördergelder. Auch die Mainzelbahn, die von den Planern immer als Vorbild genannt wurde, kostete bei Fertigstellung 50 Prozent mehr als geplant.

Dazu kommen die Betriebskosten in Millionenhöhe, die jedes Jahr fällig werden und ebenfalls nicht förderfähig sind. Mit der Citybahn werden sich auch die Verluste von ESWE Verkehr erhöhen. Diese Verluste müssen vollständig aus Wiesbadener Steuergeldern getragen werden. Unter Verkehrsdezernent Andreas Kowol sind die Defizite von ESWE Verkehr sprunghaft angestiegen: Betrug der Verlust 2016 noch 15 Millionen Euro, rechnet ESWE Verkehr für das Jahr 2023 mit Verlusten von knapp 70 Millionen Euro.

Diese Verluste müssen zum größten Teil aus dem Wiesbadener Stadthaushalt gedeckt werden. Auch die Stadt kann jeden Euro nur einmal ausgeben: Zusätzliche Verluste bei ESWE Verkehr bedeuten weniger städtisches Geld für andere Zukunftsaufgaben wie Bildung, Infrastruktur oder Soziales oder neue Schulden.

Schon vor der Corona-Pandemie standen die Wiesbadener Stadtfinanzen unter Druck. Eine weitere Erhöhung der Ausgaben führt zu Einschränkungen in anderen Bereichen, Schulden und Steuererhöhungen.

Nicht noch mehr Stau!

Die Citybahn wird den innerstädtischen Verkehr zum Erliegen bringen.

Die Wiesbadener Verkehrspolitik verfehlt das Ziel. Obwohl es das erklärte Ziel des Magistrats war, die Staus auf den Hauptverkehrsstraßen zu verringern, hat sich der 1. Ring zum größten Wiesbadener Parkplatz entwickelt. Schon heute ist Wiesbaden eine der deutschen Stauhauptstädte. Eine Citybahn würde die Situation weiter verschlimmern:

Auf der Biebricher Allee, der Rheinstraße, dem 1. Ring, der Bahnhofstraße und weiteren Hauptverkehrsstraßen werden weitere Fahrspuren und Parkplätze wegfallen, um Platz für die Gleise der Citybahn zu schaffen. Die Folge sind noch mehr und noch längere Staus, noch mehr Parksuchverkehr und damit noch mehr Luftschadstoffe als jetzt.

Das Verkehrschaos der letzten Wochen ist nur ein Vorgeschmack auf die Auswirkungen von Bau und Betrieb der Citybahn.

Stadtbild und Alleen schützen

Immer wieder zeigen die Befürworter schöne Photomontagen einer Citybahn ohne Oberleitungen. Während des Planungsprozesses wurde immer wieder behauptet, dass man versuche, die Bahn an manchen Stellen ohne Oberleitung fahren zu lassen. Auch diese Versprechen wurden gebrochen. Im entscheidenden Bericht über die Planung heißt es:

„Die derzeitige Planung sieht eine vollständige Ausstattung der Strecke mit einer Oberleitungsanlage vor.“

Kurzbericht zur Planfeststellung, Seite 9

Zudem werden für den Bau der Strecke mehr als 100 Bäume gefällt werden müssen, die nicht an der gleichen Stelle wieder ersetzt werden können. Rheinstraße, 1. Ring und vor allem die Biebricher Allee könnten so ihren Alleencharakter verlieren. Das ist städtebaulich verwerflich und in Zeiten, in denen versucht wird, die Innenstädte zu begrünen, um diese auch in heißen Sommern abzukühlen auch umweltpolitisch sinnlos. Bis heute sagt der Magistrat nicht, wo genau die Ersatz- pflanzungen erfolgen sollen.

Im Gegensatz zu anderen Straßenbahnprojekten – wie zum Beispiel in Frankreich – versucht der Magistrat nicht, die Citybahn in das existierende Stadtbild einzufügen. Aus Frankreich gibt es gelungene Beispiele für die städtebauliche Integration des ÖPNV. In Wiesbaden dagegen würde die Citybahn als Fremdkörper – und ohne Rücksicht auf Verluste und bestehende Strukturen – in den öffentlichen Raum gebaut werden.

So sehen die Gleise der Mainzelbahn aus – Die Mainzer Straßenbahn ist das erklärte Vorbild des Citybahn-Projekts

Unsere Alternativen

Gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen im Wiesbadener Stadtparlament haben wir im Herbst 2018 den Startschuss für die Erarbeitung eines Mobilitätsleitbildes gegeben. Ziel war es, den gordischen Knoten in der Wiesbadener Verkehrspolitik zu durchschlagen und eine gemeinsame Basis für die Zukunft der Mobilität in Wiesbaden zu finden. Die Stadt hatte in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit solchen Diskussionsprozessen gemacht, u.a. bei der Erstellung des Stadtentwicklungskonzeptes und der Bürgerbeteiligung zum Bau des Sportparks Rheinhöhe. Am Ende dieses langen Prozesses hat sich kaum eine unserer Erwartungen erfüllt.
Erst verzögerte sich der Erstellungsprozess um fast ein ganzes Jahr, dann wurde die für die Citybahn zuständige PR-Agentur auch für das Mobilitätsleitbild engagiert. Das Verkehrsdezernat stellte einen wissenschaftlichen Beirat vor und verschwieg dabei, dass die Personen von der PR-Agentur vorgeschlagen wurden. Unabhängigkeit sieht anders aus.
Statt eines ergebnisoffenen Prozesses mutierten die Dialogveranstaltungen zu schlecht getarnten Werbeveranstaltungen für die Citybahn, obwohl der Magistrat hoch und heilig geschworen hatte, Citybahn und Mobilitätsleitbild zu trennen. Entsprechend unbefriedigend ist auch das Ergebnis ausgefallen. Das nun vorgestellte Mobilitätsleitbild und insgesamt mehr als 1 Million Euro kostende Leitbild entspricht einer Sammlung zusammenhangsloser und teilweise sogar widersprüchlicher Vorschläge. Grund genug, ein alternatives Leitbild zu entwerfen:
Maßstab und Handlungsauftrag für liberale Verkehrspolitik bleibt: „Jeder soll so schnell und einfach wie möglich von A nach B kommen.“ Dieses Credo ist unabhängig von der Art des Verkehrsmittels und technologieoffen.

Bessere Fahrradinfrastruktur


In den letzten Jahren hat die Radinfrastruktur in Wiesbaden große Fortschritte gemacht. Nicht immer wurden dabei jedoch die richtigen Prioritäten gesetzt. Fahrradschutzstreifen sind für uns nicht das Mittel der Wahl. Ziel muss es sein, den Autoverkehr, Fahrräder und Fußgänger räumlich voneinander zu trennen. Das ist am sichersten für alle Verkehrsteilnehmer. Deswegen treten wir für einen vermehrten Ausbau von Fahrradstraßen parallel zu den Wiesbadener Hauptverkehrsstraßen ein. Die Landeshauptstadt geht leider einen anderen Weg und zwängt Auto- und Radfahrer auf eine Fahrbahn. Das verzögert den Verkehr, erhöht das Risiko für Unfälle und lässt die Emission steigen.


Das Land Hessen treibt den Bau von sogenannten “Fahrradschnellstraßen” voran. Verkehrsdezernent Kowol ist auf dieses Angebot seines grünen Parteifreundes und hessischen Verkehrsministers, Tarek al-Wazir, leider nicht eingegangen. Somit steht zu befürchten, dass sich der Bau solcher Schnellstraßen verzögert und verteuert. Im schlimmsten Fall enden die Schnellwege an der Wiesbadener Stadtgrenze. Dabei kann ein gut ausgebautes Netz an Radschnellstraßen durch die steigende Anzahl an E-Bikes und besonders schnellen S-Pedelecs bereits in wenigen Jahren ein wichtiger Bestandteil des Verkehrsnetzes im Rhein-Main-Gebiet sein und den ÖPNV nachhaltig entlasten.

Besserer ÖPNV für Pendler


Ein Großteil der Wiesbadener Staus wird von Einpendlern aus dem Umland verursacht. Wer den Wiesbadener Verkehr flüssiger und damit schadstoffärmer gestalten möchte, muss zwangsläufig an diesem Punkt ansetzen. Der Magistrat hatte daher versprochen, mehr Park-and-Ride-Parkplätze vor den Toren der Stadt einzurichten.

Leider sind auf die Versprechungen bis heute kaum Taten gefolgt. Bis auf das nun beschlossene Parkhaus an der Berliner Straße und dem kleinen P+R-Parkplatz an der Kahlen Mühle geht wenig voran. Insbesondere für die Einpendler aus dem Norden stehen keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung. Das ist besonders tragisch, weil die ÖPNV-Anbindung schlecht und unkomfortabel ist. Für Pendler aus Niedernhausen, Idstein und angrenzende Gemeinden gibt es kaum attraktive Angebote. Deswegen werben wir für eine Taktverkürzung der Ländchesbahn, die zudem dauerhaft bis nach Idstein geführt werden soll. Sie bindet mit Auringen, Medenbach und Erbenheim zudem noch die östlichen Vororte an und kann die Qualität des öffentlichen Verkehrs dort steigern. Der baldige Bau der Wallauer Spange mit einem Bahnhof in Delkenheim verkürzt die Wege für die Anwohner der östlichen Vororte weiter.


Eine weitere Ergänzung des Schienenverkehrs kann die Reaktivierung der Aartalbahn sein. Jedoch nicht – wie derzeit geplant – als Citybahn, sondern in ihrem ursprünglichen Verlauf vom Wiesbadener Hauptbahnhof nach Diez in Rheinland-Pfalz. Unsere rheinland-pfälzischen Nachbarn haben die Reaktivierung eines Teilstücks bereits beschlossen. Eine erneute Machbarkeitsprüfung für diese Strecke ist für uns daher notwendig.

Faire Angebote


Insbesondere der RMV steht in der Pflicht, den Pendlern finanziell attraktive Angebote zu machen. So profitieren viele Pendler vom JobTicket, dessen Kosten zum Teil von ihren Arbeitgebern übernommen wird. Ausgerechnet kleinere und mittlere Betriebe, in denen der Großteil der Arbeitnehmer arbeitet, sind jedoch vom JobTicket-Angebot ausgeschlossen. Dieses steht nur Unternehmen mit mehr als fünfzig Angestellten offen. Hier müssen zukünftig auch kleinere Unternehmen zum Zug kommen.

Effiziente Schadstoffreduzierung


Die Landeshauptstadt Wiesbaden muss ihre Schadstoffwerte schnell und nachhaltig deutlich reduzieren. Dazu verpflichtet uns der Luftreinhalteplan des Landes Hessen, der Teil des Pakets zur Abwendung des Dieselfahrverbots war. Unabhängig davon steigt mit der Luftqualität auch die Lebensqualität.
Die Stadtverwaltung selbst kann und muss hier mit gutem Beispiel vorangehen. Der städtische Fuhrpark muss konsequent auf lokal emissionsfreie Antriebe (Batterie oder Wasserstoff) umgestellt werden, denn die Stadt kann ihren Bürgern keine Regeln aufzwingen, die sie nicht selbst auch erfüllen möchte. Der ÖPNV nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Leider hat es ESWE Verkehr immer noch nicht geschafft, die versprochenen Wasserstoffbusse in Betrieb zu nehmen, obwohl sogar für eine Millionensumme eine eigene Wasserstofftankstelle gebaut wurde. Mit dieser Pleite hat es Wiesbaden sogar in die Satiresendung extra3 geschafft, in der in jeder Sendung ein besonders krasses Beispiel für Steuergeldverschwendung präsentiert wird.
Der technologische Fortschritt hat dafür gesorgt, dass die Schadstoffemmissionen sowie die Treibhausemissionen in unserer Stadt in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen sind. Dieser Trend wird sich mit schrittweisen Umstieg auf lokal emissionsfreie Antriebsarten im Autoverkehr verstärken. Die Stadtpolitik kann ihn mit kreativen Lösungen weiter beschleunigen, ohne Autofahrer zu gängeln, z.B. durch ein automatisches Aktivieren der Elektromotoren von Hybridfahrzeugen bei Befahren der Umweltzone. Wichtig ist auch ein neuer Anlauf für das LKW-Durchfahrtsverbot, das an eben jenen Taunusgemeinden gescheitert ist, die nun um jeden Preis die Citybahn durchsetzen wollen.
Nicht zuletzt ist der Verkehr zwar eine gewichtige, aber nicht die einzige Quelle für Schadstoffe. Dies hat sich während des Corona-Lockdowns gezeigt. So hat beispielsweise die Landeshauptstadt Stuttgart während der harten Phase des Lockdowns mehrfach die Schadstoff-Tageshöchstwerte überschritten, obwohl kaum ein Auto unterwegs war. Als Verursacher wurden die Heizungsanlagen in den Wohnhäusern in der Nähe Messstationen ausgemacht. Dies entbindet uns nicht von der Verantwortung, den Verkehr ökologischer zu gestalten, macht aber deutlich, dass es zur Reduzierung von Schadstoffen auch anderer Maßnahmen bedarf, z.B. energetischer Sanierung von Altbauten.

Weniger Parksuchverkehr – weniger Staus


Staus und langes Kreisen für die Parkplatzsuche verursachen unnötige Emissionen und Lärm. Gleichzeitig kosten sie den Autofahrer Geld und Nerven. Die Stadt muss daher die Parkplatznot in den Wiesbadener Wohnvierteln lindern und darf den Verkehr auf den Hauptverkehrsachsen nicht unnötig behindern. Was klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist unter dem grünen Verkehrsdezernenten Andreas Kowol leider eher Ausnahme als Regel. Mit der digitalen Verkehrssteuerung, die die Landeshauptstadt Wiesbaden derzeit unter dem Namen DIGI-V einführt, kann der Wiesbadener Verkehr flüssiger und damit umweltfreundlicher gestaltet werden. Diese Chance sollte der Magistrat nicht vergeben.
Verkehrspolitik muss technologieoffen sein
„Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen“: Dieses geflügelte Wort beschreibt die Schwierigkeiten der lokalen Verkehrspolitik in Zeiten rasanten Wandels. Die Unsicherheit entbindet die Politik nicht davon vorauszudenken. Sie spricht jedoch dafür, bei Investitionen nicht auf ein Pferd allein zu setzen. Vor fünf Jahren rechnete keiner damit, dass E-Bikes schnell für die breite Masse erschwinglich werden und Wiesbaden trotz herausfordernder Topographie mittelfristig zu einer Fahrradstadt machen könnten, E-Scooter sich zum beliebtesten Fortbewegungsmittel Jugendlicher entwicklen würden und eine Pandemie den öffentlichen Nahverkehr von heute auf morgen zum Erliegen bringt. Umso wichtiger ist es, offen für die Entwicklungen der Zukunft zu bleiben. Investitionen von einer halben Milliarde Euro und zusätzliche Kosten für Erhalt und Betrieb sind das Gegenteil.