Zum Abschied Breitseite auf Stadtregierung: Florian Rentsch zieht nach acht Jahren als FDP-Kreisvorsitzender Bilanz
Presseberichterstattung aus: WIESBADENER KURIER vom 17.03.2014
Vorsitzender Florian Rentsch (rechts) und Schatzmeister Wolfgang Schwarz verabschieden sich aus der Zentrale des FDP-Kreisverbands. Foto: RMB/Heiko Kubenka
WIESBADEN – In der internen Rangliste hat es Florian Rentsch auf Rang zwei geschafft. 2875 Tage war er Vorsitzender des FDP-Kreisverbands. Nur Helmut von Scheidt stand länger an der Spitze der Wiesbadener Liberalen – genau 69 Tage. Bei der Mitgliederversammlung am Montagabend kandidierte der ehemalige hessische Wirtschaftsminister nicht mehr. Er will sich auf den Vorsitz der Landtagsfraktion konzentrieren.
Seine persönliche Bilanz nutzte er auch zum Angriff auf die aktuelle Stadtregierung. Die zeichne sich nicht gerade durch Dynamik und Tempo aus. Das Urteil falle gerade vor dem Hintergrund „unseres Interesses an einer fortschrittlichen Stadtentwicklungspolitik“ so hart aus. Rentsch hat eine lange Liste von Projekten vorbereitet, die unter dem abgewählten FDP-Dezernenten Joachim Pös abgearbeitet worden seien: „Mauritiusplatz, Dernsche Höfe, Fußgängerzone, Bahnhofsplatz, Gedenkstätte Michelsberg und und und…“ Angesichts dessen habe die Nachfolgerin Sigrid Möricke wenig vorzuweisen. „Ein Riesenunterschied.“
Verbrauchte Dezernenten
Den Pös-Vorschlag, die neuen Rhein-Main-Hallen am Standort der alten zu bauen, hätte Wirtschaftsdezernent Detlev Bendel einst als Unsinn abgetan: „Heute wird genau das gemacht, was Pös vor fünf Jahren gesagt hat.“ Die Befragung zum Standort des Neubaus nennt Rentsch peinlich: „Bürgerbeteiligung für Anfänger.“Von Bendel komme ohnehin wenig: „Ich habe den Eindruck, dass manche Magistratsmitglieder ganz schön verbraucht sind“, sagt Rentsch, um sofort Rose-Lore Scholz auszunehmen: „Allerdings ist sie oft auf sich allein gestellt.“ Etwa in Sachen Stadtmuseum. „Ohne uns“, mutmaßt Rentsch, „wäre dieses Thema komplett von der Tagesordnung verschwunden“.
Die Oppositionsrolle, die der FDP nach dem „jämmerlichen Abschneiden“ bei den Bundes- und Landtagswahlen auf allen Ebenen zufalle, biete immerhin die Möglichkeit zur programmatischen Erneuerung, die in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen sei. „In einer Koalition mit dem ständigen Zwang zum Kompromiss nutzt man unglaublich ab. So gesehen ist das nun auch eine große Chance.“
Linksschwenk der CDU
Auf Dauer möchte er die FDP aber nicht in der Zuschauerrolle sehen, sondern in der Regierungsbeteiligung. „Politik für den Papierkorb macht keinen Spaß“, ist er auf der Suche nach neuen Mehrheiten. Nach dem „Linksschwenk der Union“ hofft der Vorsitzende des FDP-Bundesfachausschusses für Wirtschaft und Energie bei den Wählern zu profitieren, wenn seine Partei bewusst auf die soziale Marktwirtschaft setzt. „Derzeit liegt das Gewicht zu sehr auf dem Sozialen.“
Auch in der Stadtpolitik sieht er eine Zukunft für Dreierbündnisse. Mehr als der Stillstand in Zeiten Großer Koalitionen komme da allemal raus. „Wir werden uns nicht verschließen.“ Wohlgemerkt weder einer Ampel noch einer Neuauflage der Jamaika-Koalition, „wenn’s programmatisch passt“. Im Bündnis mit CDU und Grünen sei „massiv gestritten“ worden, bekannte Rentsch. „Das war anstrengend – besonders mit Christiane Hinninger. Aber trotz der schwierigen Mehrheiten haben wir viel erreicht.“ Auch das Engagement für die EBS sei zu der damaligen Zeit „dringend notwendig“ gewesen. Das zeige sich daran, dass man nun für das Quartier rund um das alte Gericht immer noch kein Konzept habe.
Rentsch und Schatzmeister Wolfgang Schwarz, der gestern gleichfalls nicht mehr antrat, hinterlassen einen, wie sie betonen, finanziell solide geführten Kreisverband, der seit dem Wahldesaster imSeptember sogar mehr als 30 Zugänge zu verzeichnen habe und nun rund 360 Mitglieder zählt. „Und nun wird alles noch besser“, strahlt FDP-Senior Schwarz unablässig Optimismus aus.